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yes@horstmueller.eu

Horst Müller
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Spiegel limitieren alle phantastischen Nachbildungen durch die kühle Berechenbarkeit ihrer optischen Reflexe, doch wie diese sind auch Spiegelbilder haltlos. Ausgehend von der platonischen Mimesis-Kritik läßt sich Spiegelung als eines jener Verfahren begreifen, die die ›gefährliche Kunst der Nachahmung‹ intendieren, nämlich Bilder zu erzeugen, die den Dingen, die sie wiedergeben, keineswegs entsprechen. Obwohl Spiegelbilder scheinbar genau abbilden, was sich vor dem quecksilberbeschichteten Glas befindet, ist alles im Spiegel seitenverkehrt – und mit der Person vor dem Spiegel entschwindet im Spiegel auch sein modifiziertes Bild.
Alles geschieht, doch nichts wird aufbewahrt in diesen gläsernen Gehäusen, in denen wir, phantastische Rabbiner, von rechts nach links die Bücherzeilen lesen. Mißtrauisch gegen das Disparate reflektierter Bilder, versichern wir uns vor dem Spiegel ›real‹ gegenwärtig zu sein – in der ›seitenrichtigen‹ Naturkonstante – und nehmen die vertrauten Dinge um uns herum als ›wirklich‹ vorhandene wahr.
Als in einer cinematografischen Vision Anfang des 20. Jahrhunderts der Spiegel nicht mehr die starre Grenze repräsentierte, die den Raum teilte in eine hintergründig imaginäre und eine vordergründig reale Sphäre, sondern durchlässig war für einen Augenblick der Transgression,
** wurde plötzlich denkbar, daß an dieser glänzenden Schnittstelle Virtuelles und Materielles in ein Wechselverhältnis treten können, Bild und Gegenstand sich vertauschen. Als Spiel mit analogen Gegebenheiten liegt bei dieser Form des Austauschs der Versuch vor, wechselseitig dem Unsteten Festigkeit zu geben und Kompaktes wieder in den Kosmos der Bilder zu überführen.

** Nach der ersten Durchquerung des Spiegels in der Geschichte des Films (Jean Cocteau Le sang d'un poète 1930) und Variationen des Themas in aktuelleren Filmproduktionen, wo die Spiegelmetaphorik die Grenze zwischen realem und virtuellem Raum offenhielt (Andy & Larry Wachowski The Matrix 1999), wurde als ›Film im Film‹ die Leinwand selbst – die weiße Fläche als matter Grund für Projektionen und Vorspiegelungen – die jungfräuliche Membran, die als Einfallstor der Lichtbilder in die wirkliche Welt fungierte und durch die bald darauf ein reger Grenzverkehr in beide Richtungen erfolgte (Woody Allen The Purple Rose of Cairo 1985 / John McTiernan Last Action Hero 1993). Als ›Film im Film im Film‹ wurde dann auch eine Passage durch mehrere Ebenen vorstellbar, deren sprunghafte Abfolge den mehrschichtigen Tiefenstrukturen des Traums nachgebildet war. (Christopher Nolan Inception 2010). Vielleicht gibt es eine lose thematische Entsprechung zu diesem Grenzverkehr und dem Komplex der Konkretisierung medialer Aspekte in der Bildenden Kunst: Nachdem Anfang des 20. Jahrhunderts im Kubismus schon Realitätsfragmente in Bilder collagiert wurden und den Status derselben verunreinigten (Georges Braque Bottle, Newspaper, Pipe and Glas 1913) und Jahrzehnte später im Informel die durchlöcherte Leinwand Geltung erlangte (Lucio Fontana Concetto spaziale 1959) und sich als durchlässiges Raumsegment präsentierte, war es nur folgerichtig, daß Bilder plötzlich stofflicher in Erscheinung traten – aufquollen zu Farb- und Leinwandkörpern (Gotthard Graubner Via lactae 1960/61 / Enrico Castellani Superficie angolare rossa 1960), – sich von der Wand lösten und dann ›real‹ den Raum besetzten, zunächst als ›Objekte‹ und später formbereinigt als ›Spezifische Objekte‹ (Don Judd Specific Objects 1965).

Das im Text kursiv Ausgezeichnete ist zitiert nach: Jorge Luis Borges Die Spiegel
in Gesammelte Werke München 1982.
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Boccioni
Wer ist real? Umberto Boccioni Io noi Boccioni 1907
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